Von römischer Komik und antiken Schlägen in Rheinsberg: Interview mit Schauspieler Merten Schroedter

Prinz Heinrich schätzte die antik-römischen Dichter Plautus und Terenz und machte sie zu den Hausgöttern seines Theaters: Ihre Büsten zieren bis heute die Fassade. Zum 250. Jubiläum richtet Schauspieler Merten Schroedter ihre Komödien „Casina“ und „Eunuchus“ in einer szenischen Lesung ein. Am Samstag, 30. März, im Schlosstheater Rheinsberg.

Merten, griechische Tragödien sind fester Bestandteil des westlichen Theaterrepertoires. Römische Komödien findet man gar nicht. Woran liegt das?
Die griechischen Tragödien haben die Mythologie zum Thema – also die erhabenen Stoffe wie Antigone und Medea, die unsere Kulturgeschichte stark beeinflusst haben. Da werden psychologische Dispositionen der Menschheit in ihrer Grundsätzlichkeit abgebildet: Es geht um die großen Fragen um Verantwortung, Schuld, Tradition, Familie, Schicksal – um philosophische Dimensionen! Das gibt stetig Anlass zur Neuinterpretation. Diese Themen klingen bei römischen Komödien auch an, aber es geht nicht um Leben und Tod. Es sind alltäglichere und handfestere Konflikte. Da geht es um: „Der soll sie nicht haben“ oder „Ich brauche Geld“ oder „Hoffentlich erfährt mein Vater nicht, dass ich besoffen bin“ …

Ist das eine also die große Kunst und das andere Unterhaltung?
Römische Komödien sind Volkstheater im besten Sinne und das hat in der deutschsprachigen Theaterlandschaft keinen so hohen Stellenwert. Ich selbst habe vor allem ein historisches Interesse: Wir machen eine Zeitreise über 2000 Jahre zurück und erleben, wie eine Gesellschaft mit ganz eigenen Regeln und Sitten funktionierte.

Bei Komödien denkt man an Leichtigkeit. Dabei geht es in „Casina“ von Plautus und „Eunuchus“ von Terenz stellenweise ziemlich übel zu. Ist es heutzutage möglich, römische Komödien unkritisch zu konsumieren?
Die moralischen und ethischen Werte in der Welt der beiden Stücke und im alten Rom sind anders als heute. Beispielsweise was die Rolle der Frau und das Sklaventum angeht. Auch heutige Straftaten wie Schläge, Verschleppung oder Zwangsprostitution haben dort andere oder gar keine Konsequenzen. Und trotzdem: Die Opfer in der Handlung, denen ein Unrecht widerfährt und die nicht die Sühne und die Ahndung erfahren, die es heute rechtlich und zivilgesellschaftlich gäbe, bekommen viel Raum. Es ist fast ein Ausblick in die Moderne, wenn der Sklave im Vordergrund steht, in eigenen Monologen seine Perspektive schildert und das Publikum Mitleid mit ihm entwickelt. Der unterdrückte Sklave als Sympathieträger, das ist ein ziemlich progressiver Ansatz.

Ein Paradebeispiel dafür ist die Sklavin Pardalisca in „Casina“ …
Ja, definitiv eine meiner Lieblingsfiguren! Sie ist geballte Frauenpower, strotzt vor Selbstbewusstsein und hat große Macht über den patriarchalen Hausherren. Ab einem gewissen Punkt reißt sie die Handlung an sich – da wächst kein Gras mehr! Sie ist eine feministische Figur voller Lebenslust, und es ist faszinierend, dass damals eine solche Figur als Frau und als Sklavin geschrieben wurde. Es gibt Szenen, die diesen modernen Tendenzen entgegenlaufen. Doch zwischen den Zeilen ist spürbar: Diese Gesellschaftsform tut nicht allen gut und es gibt Handlungsbedarf!


Warum stellst Du ausgerechnet „Casina“ und „Eunuchus“ einander gegenüber? Die Auswahl hat ja nichts zu tun mit Rheinsberg oder Prinz Heinrich, über dessen Faszination für Plautus und Terenz im Detail wenig überliefert ist.
Ich will möglichst viele typische Figuren und Situation abbilden, die mir beim Gesamtkonvolut der Römischen Komödie entgegengeschwappt sind. Wir kreieren eine breite Übersicht über das, was die Leute damals lustig fanden, und das zum Teil auch heute noch tun.


Die Stücke sind in ihrer Konzeption ja recht unterschiedlich …
Genau! In „Casina“ gibt’s lediglich eine Hand voll Figuren und es geht um Ehethematik, diesen nie zu erschöpfenden Komödien-Topos. In „Eunuchus“ gibt’s mehrere Handlungsstränge und deutlich mehr Personal, das zum Teil bereits in Richtung Commedia dell’arte weist. Da gibt’s unter anderem die kluge Hetäre, den dummen Offizier, den verliebten Bürgerssohn, den schelmischen Sklaven, und den reichen Vater, der am Ende alles richtet.

Mit was für Komik haben wir es bei „Casina“ und „Eunuchus“ zu tun?
Die Komödienmechaniken wurden durch die Jahrtausende hindurch eins zu eins immer wieder genutzt – das geht über Shakespeare bis zu heutigen Sitcoms wie „The Big Bang Theory“ oder „Friends“. Egal ob Figuren unterschiedlicher Bildungsgrade aufeinandertreffen, eine Person mehr weiß als die andere, oder zwei Charaktere von unterschiedlichen Situationen ausgehen und sich deswegen missverstehen. Überhaupt Missverständnisse und sexuelle Anspielungen, Wortklauberei, Wortspiele und Slapstick-Elemente. Alles, was wir heute kennen, findet sich bereits da. Die Stücke sind ein Baukasten, eine Art Schule der Komödiendichtung!

Das ganze Interview ist im Programmheft der Osterfestspiele Schloss Rheinsberg 2024 nachzulesen. Das Gespräch führte Albert Heilmann.

(Foto: Petite Machine)